Zeitungskritik: Messa di Gloria – ChorCantamus
Mittwoch, 10. Mai 2023, Meinerzhagener Zeitung / Meinerzhagen
VON THOMAS KRUMM
Ben Köster leitet den Chor und das Orchester. Fotos: Krumm
Meinerzhagen – Wie klingt das geistliche Frühwerk eines Tonsetzers, der in seinen reifen Jahren zu einem der berühmtesten Opernkomponisten wurde? Am Samstag verhalf der Oratorienchor Cantamus aus Kierspe seinem Publikum in der Stadthalle zu einer aufschlussreichen Antwort auf diese Frage.
Tatsächlich bot Giacomo Puccinis „Messa di Gloria“ eine Tonsprache, die eher ungewöhnlich war für eine geistliche Messe. Es überrascht nicht, dass er Musik des „Agnus Dei“ für seine Oper „Manon Lescaut“ wiederverwendete. Sein „Kyrie“ nutzte er später für die Oper „Edgar“. Der Bezug seiner geistlichen Tonsprache zur Oper deutet schon etwas von dem erfrischenden Schwung an, mit dem die Musik von Puccinis Messe daherkommt. Zur Musik gibt es allerdings viel Tradition: Die Texte der traditionellen Messteile Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei folgen der kirchenlateinischen Tradition.
Der junge Dirigent Ben Köster, der Chor und Orchester leitete, wuchs in Meinerzhagen auf. Parallel zu seinem Masterstudiengang der Evangelischen Kirchenmusik und des Orchesterdirigierens leitet er verschiedene Chöre und Orchester. Vor Beginn der „Messe“ bekannte er sich zum besonderen Charme dieses Jugendwerks von Giacomo Puccini. Nach der erfolgreichen Uraufführung im italienischen Lucca im Jahr 1880 verschwand es merkwürdigerweise bis 1952 in der völligen Versenkung. „Es wurde zu Lebzeiten nie wieder aufgeführt“, wunderte sich Ben Köster. Er erklärte Puccinis Hinwendung zur Oper mit dessen Vorliebe für Autos und Boote. Dafür brauchte der Spross einer „Dynastie von Kirchenmusikern“ offenbar viel Geld, das ein Komponist eher mit Opern verdienen konnte.
Zum Erlebnis wurde Puccinis Messe durch die geballte Kraft von 39 Chorsängerinnen und Chorsängern und einem 23-köpfigen Orchester. Das Neue Rheinische Kammerorchester sorgte für präzise Begleitung. Die Solopartien der Messe sang kraftvoll der Tenor Maximilian Fieth. Aus den Reihen des Chores kam Bassist Vincent Rendenbach, dessen Stimmlage im „Benedictus“ besonders gefragt war. Für ein besonderes musikalisches Erlebnis feierte das Publikum in der Stadthalle den Chor, seinen jungen Dirigenten und die Solisten. Der erste Teil des Konzerts war Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy gewidmet: Nach einem rein instrumentalen Auftakt sang der Chor seine Vertonung des bilderreichen Psalms 42: „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“ Ben Köster wies auf den Wechselgesang zwischen der verzweifelten Stimme der Sopranistin Agnes Lipka und dem zuversichtlich antwortenden und beruhigenden Männerchor hin. Die große Besetzung in der Stadthalle sah eher nicht nach einer „Kammerfassung“ aus. Ben Köster erinnerte aber an die Uraufführung von Mendelssohns wunderbarer Komposition mit 271 Chorsängern und 225 Orchestermusikern. Verglichen damit erlebten die Besucher in der Stadthalle eine etwas abgespeckte, nichtsdestotrotz aber immer noch klanggewaltige Kammerfassung.